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Bürgergeld statt Hartz IV

Bürgergeld statt Hartz IV

Warum es kein bedingungsloses Grundeinkommen light gibt


Warum es kein bedingungsloses Grundeinkommen light gibt

Im Ringen um die Zukunft der Hartz-IV-Sanktionen setzt sich die FDP gegen die Grünen durch: Jobcenter sollen auch künftig Kürzungen verhängen können. Der Grundsatz „Fördern und Fordern“ bleibt damit bestehen.

Zu anderen Zeiten hätten sich die Bundesagentur für Arbeit (BA) und die FDP wohl kaum als Verbündete wahrgenommen. Einmal wollte der frühere Generalsekretär der Liberalen und heutige Rüstungslobbyist, Dirk Niebel, die Arbeitsagentur als „nicht reformierbar“ gleich ganz auflösen; 2005 war das, SPD und Grüne stellten die Bundesregierung. Fünf Jahre später plante die FDP, dann in Regierungsverantwortung, versprochene Steuersenkungen durch Kürzungen bei der BA zu finanzieren – obwohl wegen der Wirtschaftskrise mit steigenden Arbeitslosenzahlen zu rechnen war.

Doch nun gibt es ein Thema, das die Liberalen und die Behörde in einer außergewöhnlichen Allianz zusammenbringt: das Bürgergeld, mit dem die Bundesregierung die Grundsicherung – also Hartz IV – ersetzen will und dessen Einführung die BA in den Jobcentern wird umsetzen müssen.

Im Wahlkampf hatten alle Parteien der heutigen Ampelkoalition mit einem Bürgergeld geworben: Die Sozialdemokraten, um ihr Trauma, das Erbe der Agenda-Reformen, zu überwinden – und Vorurteile vergessen zu machen, die heute mit dem Begriff Hartz IV verbunden sind. Die Grünen mit dem Abschaffen von Sanktionen – für sie ein erster Schritt auf dem Weg hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen, gewissermaßen ein Grundeinkommen light. Und die FDP mit einem Konzept, das eben diesen Weg nicht ebnen sollte – sondern es Menschen ermöglichen, leichter (wieder) eine Arbeit aufzunehmen.

Besonders um die Frage der Sanktionen haben die Koalitionspartner zuletzt gerungen. Obwohl nur drei Prozent der Beziehenden Leistungen gekürzt werden, weil sie beispielsweise nicht zu Terminen erscheinen, Stellen ablehnen oder eine Weiterbildung abbrechen, geht es dabei um den Kern des Hartz-Grundsatzes „Fördern und Fordern“: Denn wie würden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern künftig etwas einfordern, wenn sie keine Konsequenzen mehr ziehen könnten?

Nun gibt es einen Kompromiss – bei dem die FDP Punkte durchsetzt und der auch die Arbeitsagentur freuen dürfte: Zwar sollen die Grünen von Juli an ihr im Koalitionsvertrag festgeschriebenes einjähriges Sanktionsmoratorium bekommen, dessen Wirkung Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) auch auswerten sollen.

Moratorium heißt in dem Fall aber nicht Sanktionsfreiheit: Wer Termine nicht wahrnimmt beziehungsweise sich nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort einfindet, dem können die Leistungen auch während dieses Jahres um bis zu zehn Prozent gekürzt werden. Gut drei Viertel der Pflichtverletzungen von Leistungsbeziehenden sind solche sogenannten Meldeversäumnisse.

„Mit dieser Regelung verhindern wir, dass in dem Jahr mehr Menschen den Kontakt zum Jobcenter abbrechen“, sagt Jens Teutrine, Sprecher der FDP-Fraktion für das Bürgergeld. Und klingt damit ganz ähnlich wie BA-Chef Detlef Scheele: Früh verhängte Konsequenzen könnten hilfreich sein, hatte der zuletzt betont, „auch damit wir den Kontakt zu den Menschen nicht verlieren“. Wo sich Teutrine und Scheele ebenfalls einig sind: Je länger eine Person aus dem Arbeitsmarkt raus sei, desto schwieriger werde es für sie auch, wieder hineinzukommen.

Sanktionen bis zu 30 Prozent sollen möglich bleiben

Die Koalition hat sich außerdem darauf geeinigt, dass, wenn nach dem Jahr Moratorium die Sanktionen für das Bürgergeld neu geregelt werden, weiterhin bis zu 30 Prozent Abzüge möglich sein sollen. 2019 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass dies die Höchstgrenze sei – und nicht mehr wie in der bisherigen Praxis auf bis zu 100 Prozent Kürzung in Extremfällen addiert werden dürfe.

Sanktionen seien ohnehin das letzte Mittel, sagt Teutrine, wenn jemand sich eben partout weigere, mitzuwirken. Aber als solches müsse man sie erhalten. „Sonst sprechen wir von einem bedingungslosen Grundeinkommen“, sagt er. Und für Teutrine ist das der falsche Weg: „Solidarität und Sozialstaat sind wichtig – aber auch keine Einbahnstraße.“

Teutrine wägt solche Worte ab. Wie andere junge Politiker seiner Partei steht der 28-Jährige für eine FDP, die stärker über soziale Fragen nachdenkt, darunter aber eher Aufstiegschancen versteht als Verteilungsgerechtigkeit. Bei der vergangenen Bundestagswahl haben die Liberalen auch damit viele junge Menschen angesprochen – und müssen nun zeigen, dass sie Wahlkampfversprechen um- und sich gegen die Koalitionspartner durchsetzen können.

Bislang tut sich die FDP damit schwer. Das Fortschrittsprojekt einer Aktienrente beispielsweise kommt nur schleppend voran. Umso wichtiger ist es für die Partei, nun das Bürgergeld nach ihren Vorstellungen zu formen. Zumal in einem Jahr mit Landtagswahlen: In Schleswig-Holstein erhielt die Partei gerade nur 6,4 Prozent der Stimmen – ihr schlechtestes Ergebnis in dem Bundesland seit mehr als zwei Jahrzehnten.

Teutrine hebt daher weitere Punkte der Reform hervor, die von Januar 2023 an gelten sollen: Das Schonvermögen wird erhöht, in den ersten beiden Jahren soll Vermögen von neu Bürgergeld Beziehenden gar nicht angerechnet werden. Auch in ihrer Wohnung sollen sie in dieser Zeit zunächst wohnen bleiben können, selbst, wenn diese größer ist als von Amtswegen vorgesehen. Teutrine sieht den Widerspruch, „wieso die Solidargemeinschaft als erstes haften soll, wenn die Person im Grunde für sich selbst sorgen kann“.

Er steht aber auch dafür ein, dass Menschen mit geringem Einkommen die Chance bekommen, Vermögen zu bilden und privat vorzusorgen. Für ihn löst die Befristung auf zwei Jahre diesen Widerspruch auf: Wem es gelingt, das Bürgergeld als, um im FDP-Jargon zu bleiben, Trampolin zu nutzen, um aus vorübergehenden Notlagen wieder herauszuspringen, der soll danach nicht schlechter dastehen als zuvor. Wem das nicht gelingt, der wird – auch – privat für sich aufkommen müssen.

Absurd: Wer arbeitet, kann weniger Geld haben als zuvor

Besonders wichtig sei ihm aber, sagt Teutrine, dass von Januar an auch die Zuverdienstgrenzen für Schüler und Studentinnen fallen sollen. Bislang schafft das Hartz-IV-System die absurde Situation, dass manche arbeitslose Menschen, wenn sie einen Job beginnen oder bei bislang wenigen Arbeitsstunden ihre Tätigkeit ausweiten, kaum mehr oder sogar weniger Geld zur Verfügung haben als vorher – weil ihnen ein so großer Teil der Leistungen abgezogen wird.

Auch, was Jugendliche und junge Erwachsene hinzuverdienen, wird mit dem Leistungssatz ihrer Eltern verrechnet. Sie müssen also quasi ihre Mütter und Väter mitversorgen. „Viele junge Menschen möchten sich trotz Hartz IV eine Perspektive erarbeiten“, sagt Teutrine. Dass sich das aktuell nicht lohne, „ist unfair und leistungsfeindlich.“

Wenn dann auch wie von der Regierung geplant der Vermittlungsvorrang fällt, Menschen also eine Ausbildung nachholen oder sich weiterbilden können und dafür eine monatliche Prämie erhalten, statt oft in Aushilfstätigkeiten vermittelt zu werden, erwartet Teutrine „echte Verbesserungen“.

Auch BA-Chef Detlef Scheele hat lange für diese Veränderungen gekämpft. Ende Juli geht er allerdings in Ruhestand. Auf ihn folgt eine Frau, die eine Kehrtwende bei Hartz IV selbst mit vorbereitet hatte: die ehemalige SPD-Chefin Andrea Nahles. Ob FDP und Arbeitsagentur dann noch für die gleiche Sache streiten, wen eine SPD-Linke an der Spitze der Behörde steht – wenn auch nicht in politischer Funktion? Jens Teutrine sagt, auch mit Andrea Nahles werde ein Austausch mit den Sozialpolitikern der FDP stattfinden: „Ich habe keine Sorge, dass sie das Gefüge über Bord wirft.“

 

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